Niederrheinappell 2019

Große Teile der niederrheinischen Bevölkerung lehnen einen weiteren Raubbau an der Niederrheinischen Landschaft durch eine intensive Fortführung und anhaltende Ausdehnung des Kiesabbaus ab.

Entlang des Niederrheins sind Verbände und Bürger aktiv geworden und es haben sich parteiübergreifend Initiativen gegründet, die den Kiesabbau in der bisherigen Form nicht mehr dulden werden. Wir stellen fest, dass sich die privatwirtschaftlich arbeitende Kiesindustrie mit ihren Abgrabungsanträgen in der Regel über gegenläufige Interessen der Bevölkerung hinwegsetzen kann und die Interessen der Kiesindustrie an der Sicherung großflächiger Abgrabungsgebiete nunmehr mit dem neuen Änderungsverfahren am Landesentwicklungsplan noch weiter begünstigt werden sollen. Wir fordern einen nachhaltigen Kiesabbau, sowie eine Ausweisung der Ressource Sand und Kies als nationale Rohstoffreserve. Bei Planungs- und Genehmigungsentscheidungen muss in erster Linie der Schutz der Bevölkerung, der Natur und der typischen niederrheinischen Landschaft gewährleistet werden. Verwaltung und Politik müssen berücksichtigen, dass der Kiesabbau zum großflächigen Verlust landwirtschaftlicher Flächen und deren Arbeitsplätzen führt, die für die Nahrungsmittelproduktion, für die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen und für den Natur- und Artenschutz nicht mehr zur Verfügung stehen.

Kiesabbau führt zu einer Zerstörung der Bodendeckschicht, die das Grundwasser vor schädigenden Einträgen schützt. Unserem Trinkwasser, das fast überall am Niederrhein im Gegensatz zu weiten Teilen des Landes noch Grundwasser ist, droht langfristig eine massive Verschlechterung, insbesondere auch durch die Einleitung von Oberflächenwasser in Baggerlöcher.

Es ist festzuhalten, dass von der Kiesindustrie erhebliche Mengen Sand und Kies ins Ausland exportiert werden. So auch in Länder, welche inzwischen eine restriktive Abgrabungspolitik verfolgen, da sie die ökologischen und ökonomischen Folgen des Kiesabbaus erkannt haben und deren Rohstoffbedarf nun durch niederrheinische Kiesunternehmen bedient wird. Die regionalplanerische Bedarfsermittlung von Kies und Sand in welcher nicht festgelegt ist WESSEN „Bedarf“ ermittelt werden soll (der Bedarf für den jeweiligen Regierungsbezirk, Bundesland, Deutschland oder in EU-Ländern), erfolgt ausschließlich an den Mengen, die die Kiesindustrie in den jeweils letzten drei Jahren abzugraben vermochte. Einzig die abgebaute Menge stellt somit den „Bedarf“ dar. Folglich: je fortgeschrittener also der technische Abbau und die Absatztätigkeiten insbesondere im Ausland optimiert werden, desto mehr Flächen werden der Kiesindustrie als sogenannter „Bedarf“ neu zugewiesen.
Somit ist das zurzeit angewandte Abrabungsmonitoring als Grundlage für die Berechnung landesplanerischer Versorgungssicherheit (Bedarfsermittlung NRW) nicht geeignet, sondern stellt unserer Meinung nach lediglich die Bedarfsermittlung für die Versorgungssicherheit privatwirtschaftlicher Interessen der Kies- und Sand- Abgrabungsunternehmen dar. Die jetzige Form der Bedarfsermittlung hat die privatwirtschaftlich arbeitenden Abgrabungsunternehmen in die Situation versetzt, das Abgrabungstempo mit einhergehender Flächenvernichtung selbst zu bestimmen und dadurch ungeheure Mengen Kies und Sand im profitableren Exportgeschäft zu verkaufen. Die wertvollen und nicht vermehrbaren Ressourcen Kies und Sand müssen vor einem weiteren und unverantwortbaren Raubbau geschützt werden. Die in keinster Weise nachhaltige Wirtschaftsweise des Kiesabbaus muss gestoppt werden! Niederrheinischer Kies darf nicht mehr als „Billig-Kies“ verkauft werden, sondern muss als wertvoller Rohstoff anerkannt werden. Die Unterzeichner des NiederrheinAppells richten 13 Forderungen an die Politik:

Der Landtag und die Landesregierung NRW werden aufgefordert, folgende Punkte mit schnellwirksamen geeigneten Maßnahmen umzusetzen:

  1. Grundlage der landesplanerischen Absicherung dürfen nicht die Begehrlichkeiten der Kiesindustrie sein, sondern müssen Mächtigkeit und Qualität der Lagerstätten im Einklang mit den Interessen von Bevölkerung und Natur sein.
  2. Der vom Land NRW zu sichernde Bedarf darf ausschließlich diejenigen Mengen an Kies und Sand landesplanerisch absichern, die für Bauvorhaben in NRW verwendet werden. Die Bedarfsfeststellung muss auf Grundlage einer neutralen Prognose erfolgen, die sich nicht am Abbauumfang der letzten Jahre orientiert, denn dieser ist derzeit erheblich durch die technische Abbauoptimierung und Exportabsatzoptimierung bestimmt. Die enorme Menge des größtenteils aus NRW gewinnbringend in die Niederlande, Belgien und Frankreich exportierten Sand und Kieses ist für den landesplanerisch zu sichernden Bedarf nicht entscheidend, sondern dient lediglich der Profitmaximierung der privatwirtschaftlichen Kiesunternehmen!
  3. Wir fordern die Recyclingquote für genutzte Baustoffe zu erhöhen und bei der Bedarfsabschätzung anzurechnen. Kies und Sand sollten als originäre Rohstoffe nach Möglichkeit nur dann und nachrangig eingesetzt werden, wenn keine anderen Baustoffe Verwendung finden können.
  4. Wir fordern die Einführung eines Kieseuros im Sinne einer Abgabe zulasten der Kiesabbauunternehmen, um die Chancen für das Recycling und alternative Baustoffe zu erhöhen.
  5. Wir fordern, den Kiesabbau ausschließlich dort zu ermöglichen, wo vorrangige Nutzungen und Interessen von Bevölkerung und Natur dem nicht entgegenstehen, das heißt: – kein Kiesabbau in Wassereinzugs- und Wasserreservegebieten, – kein Kiesabbau in Siedlungsnähe, – kein Kiesabbau in Gebieten zum Schutz von Natur und Landschaft, – kein Kiesabbau in Natura 2000-Gebieten und im EU-Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein, – kein Kiesabbau in Überschwemmungsgebieten, – kein Kiesabbau in kulturhistorisch wertvollen Landschaften,
    – kein Kiesabbau auf Flächen, die als Retentionsräume dienen sollen, ohne unabhängige Untersuchung der Auswirkungen nach neuestem Stand der Technik.

Dabei sind regionale Summationseffekte besonders zu beachten.

  1. Wir fordern, dass die Landesplanung die Versorgungssicherheit auf keinen Fall auf 25 Jahre erhöht.
  2. Wir fordern, dass die Ausweisung von Abgrabungsbereichen ausschließlich über Festsetzungen von Vorranggebieten mit Eignungswirkung erfolgt, damit ein Kiesabbau nur dort und landesplanerisch gesteuert erfolgt.
  3. Durch geeignete Maßnahmen muss sichergestellt werden, dass die Kiesindustrie die durch den Kiesabbau verursachten Ewigkeitsschäden vollständig finanziell ausgleicht und dies z.B. über die Beibringung von Bürgschaften auch für die Zukunft sicherstellt. Bei den Ewigkeitsschäden handelt es sich insbesondere um Wertschöpfungsverluste, die durch den unwiederbringlichen Verlust an landwirtschaftlichen Flächen für die Versorgung der Allgemeinheit entstehen können, um Schäden durch die Zerstörung der Filterfunktion des ausgebeuteten Bodens für die Wasserwirtschaft, Schäden, die durch die hydrogeologischen Veränderungen entstehen und um die Kosten, die der öffentlichen Hand bei der dauerhaften Überwachung der verbleibenden Abgrabungsseen entstehen.

Der Regionalrat und die Bezirksregierung werden aufgefordert: 1. Als Grundlage der Darstellung einer Fläche in der Reservekarte eine Karte mit allen bereits abgebauten und als BSAB (Bereiche für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher Bodenschätze) dargestellten Bereichen zu verwenden. Anders kann eine Summationswirkung nicht erkannt und ein fachgerechtes Planaufstellungsverfahren nicht gewährleistet werden.

  1. BSAB als Vorranggebiete sind nur als Vorranggebiete mit Eignungswirkung festzusetzen.
  2. In Aufstellungsverfahren eingebrachte Gutachten müssen unabhängig sein und vor allem bei etwaigen Unplausibilitäten und Fehlern von unabhängigen Stellen, z.B. dem LANUV geprüft werden.

Die Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte und Landräte und Bürgermeister werden aufgefordert,

  1. den Einsatz von Recyclingbaustoffen zum Ersatz von Kies und Sand noch mehr zu fördern,
  2. mit dem Instrument der Landschaftsplanung landschaftlich wertvolle Bereiche durch ein Abgrabungsverbot zu schützen.

Weitere Informationen gibt es hier: Aktionsbündnis Niederrheinappell

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